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Nein, hier wird kein Sportlerfilm rezensiert, wie man vielleicht beim Lesen des Titels annehmen könnte! Der Marathon-Mann ist ein knallharter Thriller mit starken politischen EinschlÀgen von 1976. Der britische Regisseur John Schlesinger adaptierte die Romanvorlage von Autor William Goldman, der auch das Drehbuch hierzu verfasste.
Der New Yorker Geschichtsstudent Thomas Babington Levy (Dustin Hoffman), kurz "Babe" genannt, schreibt gerade an seiner Doktorarbeit und trainiert fleiĂig fĂŒr seinen ersten Marathon-Lauf. Eher zufĂ€llig wird er Zeuge eines Verkehrsunfalls, als er an einem ganz normalen Tag durch den Central Park joggt. Dass dieser Unfall von zwei Senioren bald darauf sein Leben negativ beeinflussen wird, kann er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Plötzlich werden er und seine neue Freundin Elsa (Marthe Keller) von zwei MĂ€nnern in AnzĂŒgen ĂŒberfallen, spĂ€ter wird er von einem Ă€lteren Herren, gefesselt an einen Stuhl, gefoltert. Der Zuschauer erfĂ€hrt genau wie der Hauptdarsteller nur StĂŒck fĂŒr StĂŒck, wieso diese Ereignisse auftreten.
Ausgangspunkt ist Babes Bruder Henry (Roy Scheider), genannt "Doc", der ihm jahrelang vorgaukelte, ein erfolgreicher GeschĂ€ftsmann zu sein. TatsĂ€chlich jedoch arbeitet er als eine Art Agent fĂŒr eine zwielichtige US-Regierungsorganisation, die besonders schmutzige AuftrĂ€ge ĂŒbernimmt. In diesem Fall gilt es, alte Nazi-Schergen aufzuspĂŒren, die sich nach dem Holocaust irgendwo auf der Welt niedergelassen haben. Genau wie Christian Szell (Laurence Olivier), ein ehemaliger KZ-Arzt in Ausschwitz mit dem Spitznamen "Der weiĂe Engel", der in Uruguay Zuflucht gefunden hatte und sein Leben nun mit Diamanten finanziert, die er damals jĂŒdischen Inhaftierten abgenommen und in einem New Yorker BankschlieĂfach deponiert hatte. Mithilfe von Kurieren werden die Diamanten zu Geld gemacht. Babes Bruder Doc ĂŒbernahm solche Kurierdienste, im Gegenzug verriet Szell Aufenthaltsorte von ehemaligen Nationalsozialisten.
Doch auch Szells in den Verkehrsunfall verwickelte Bruder zu Beginn war ein solcher Kurier. Er stirbt noch am Unfallort und die Medien machen seinen Namen öffentlich. Szell selbst gerÀt in Panik und versucht nun, alle Kuriere aus dem Weg zu rÀumen, da dieser Geldbeschaffungsweg zu unsicher geworden ist. Auch diejenigen, die ihnen nahe stehen wie Docs Bruder Babe.
Sehr spannender Krimi, der in vielen Szenen eine dĂŒstere Stimmung aufbaut, die mit entsprechenden filmischen Mitteln erzeugt wurden. Flucht und Verfolgung finden meistens nachts statt, mit entsprechend gruselig anmutender Musik von Michael Small.
Passend dazu werden Bilder prÀsentiert vom oscarprÀmierten Kameramann Conrad L. Hall: Dunkle Gassen und graue GebÀude New Yorks der 70er Jahre, klaustrophobische Enge in Babes Wohnung und in dem kleinen Landhaus von Szells Bruder oder in den JuwelierlÀden im New Yorker Diamond District.
Hinzukommen immer wieder Erinnerungs-Sequenzen von Babe in Sepia-Tönen, die die Situation seines Vaters (Allen Joseph) wĂ€hrend der McCarthy-Ăra der 1950er Jahre aufgreifen. Damals gab es in den USA eine starke antikommunistische Haltung, unter der im Film sein Vater enorm zu leiden hatte und schlieĂlich Selbstmord beging. Da gibt es durchaus Parallelen zwischen Protagonist und Antagonist. Babe und Szell werden von ihrer jeweiligen Vergangenheit eingeholt.
Die Schauspieler spielen hier ihre Klasse aus, vor allem der Brite Laurence Olivier als ehemaliger KZ-Zahnarzt, der fĂŒr diese Rolle eine Oscarnominierung erhielt. NatĂŒrlich glĂ€nzt auch Dustin Hoffman in seiner Darstellung des Studenten, der oft wegrennen muss und der Verzweiflung nahe ist, aber nie aufgibt. In bester Method Acting-Manier trainierte er fleiĂig fĂŒr die Rolle mit Gewichten und schlief auch kaum fĂŒr mehrere Tage, was in dem Drama sehr gut transportiert wird.
Apropos Training: Man fragt sich als Zuschauer des Ăfteren, was eigentlich der Titel respektive der Marathonlauf mit dem Ganzen zu tun hat. Ich denke, das Marathonlaufen ist hier als Metapher zu verstehen, als Metapher fĂŒr das Leben. Man steht an der Startlinie und hat eine lange Strecke vor sich, aber trotz aller Qual und Schmerzen wĂ€hrend des Laufs, darf man nicht aufgeben - eben so wie der Protagonist in diesem Politkrimi niemals kapituliert.
Auszeichnungen: Oscarnominierung und Golden Globe fĂŒr Laurence Olivier plus weitere Nominierungen fĂŒr Regie, Drehbuch, Haupt- und Nebendarsteller/-in.
Fazit: Klasse Thriller mit klasse Spannungsaufbau. Auf jeden Fall ein Film, der zum Nachdenken anregt und lange im GedĂ€chtnis bleibt. Ein paar Szenen könnten vielleicht fĂŒr manche Zuseher verstörend sein. Wertung: Ausgezeichnet! 9 von 10 möglichen Sternen: ⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐✰
Daten zum Film:
Spielfilm, USA 1976, ca. 120 Min., OT: Marathon Man, FSK: ab
16. Darsteller: William Devane, Marthe Keller, Roy Scheider, Dustin Hoffman, L. Olivier, Fritz Weaver u.a. Drehbuch: William Goldman. Musik: Michael Small. Kamera: Conrad L. Hall. Produktion: Paramount Pictures. Regie: John Schlesinger.